top of page

Familientherapie

Familientherapie ist ein psychologisches Verfahren,

 

bei dem nicht nur eine einzelne Person, sondern das gesamte Familiensystem in den Blick genommen wird.

 

Die Grundidee:

Viele psychische oder zwischenmenschliche Probleme entstehen oder verstärken sich durch ungelöste Konflikte, Kommunikationsmuster oder Rollenverteilungen innerhalb der Familie.

Kerngedanke

  • Die Familie wird als soziales System betrachtet, in dem alle Mitglieder miteinander in Wechselwirkung stehen.

  • Probleme eines Einzelnen werden im Kontext dieser Beziehungen verstanden – und nicht isoliert betrachtet

Ziele der Familientherapie

  • Verbesserung der Kommunikation zwischen den Mitgliedern

  • Aufdecken und Bearbeiten verdeckter Konflikte

  • Förderung von Verständnis und Empathie füreinander

  • Stärkung der Ressourcen und Fähigkeiten der Familie, Probleme selbst zu lösen

Ablauf

  • Alle relevanten Personen (nicht nur die „Kernfamilie“, sondern ggf. auch Patchwork- oder Wahlfamilien) nehmen teil.

  • Der Therapeut moderiert Gespräche, stellt Fragen, gibt Impulse und regt neue Sichtweisen an.

  • Häufig werden Hausaufgaben oder Übungen für den Alltag vereinbart, um Veränderungen zwischen den Sitzungen zu festigen.

Dauer

  • Oft kurzfristig angelegt: im Schnitt 6–20 Sitzungen, meist im Abstand von 2–4 Wochen.

Besonderheit

  • Familientherapie ist eng mit der systemischen Therapie verwandt, kann aber auch von Verhaltenstherapeuten oder tiefenpsychologisch orientierten Therapeuten angeboten werden.

Häufigste Anlässe, ...

... bei denen Betroffene oder ihre Familien eine Familientherapie in Anspruch nehmen

Konflikte & Kommunikation

  • Häufige Streitigkeiten oder eskalierende Konflikte zwischen Eltern, Kindern oder Geschwistern

  • Schwierige Kommunikation: Missverständnisse, Vorwürfe, Schweigen oder verletzende Sprache

  • Generationskonflikte zwischen Eltern, Großeltern und Kindern

Psychische & emotionale Belastungen

  • Psychische Erkrankungen eines Familienmitglieds (z. B. Depression, Angststörung, Sucht)

  • Trauer und Verlust nach dem Tod eines Angehörigen

  • Krisen nach traumatischen Ereignissen (Unfall, Gewalt, plötzliche Krankheit)

Familiäre Veränderungen

  • Trennung oder Scheidung der Eltern

  • Patchwork-Situationen und Anpassung an neue Familienkonstellationen

  • Geburt eines Kindes oder andere einschneidende Lebensereignisse

Erziehung & Entwicklung

  • Erziehungsprobleme oder unterschiedliche Erziehungsvorstellungen

  • Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern oder Jugendlichen

  • Schulprobleme oder Leistungsdruck

Besondere Belastungen

  • Migration und kulturelle Anpassung

  • Finanzielle Schwierigkeiten und deren Auswirkungen auf das Familienleben

Fallbeispiele

Fall 1 – „Der kleine König“

Ausgangslage:

Eltern klagen über ihr „böses, ungezogenes“ Kind, das nicht hört, aggressiv ist und jede Anweisung verweigert. Sie fühlen sich hilflos und schuldig.

Therapeutisches Vorgehen:

  • Zunächst wird das Leid der Eltern gewürdigt, um Vertrauen aufzubauen.

  • Perspektivwechsel: Das Kind wird als „kleiner König“ beschrieben – dominant, aber auch in einer überfordernden Rolle.

  • Im Genogramm wird das Kind symbolisch über die Elternebene gesetzt und mit einer Krone versehen.

  • Diese Visualisierung löst bei den Eltern Erleichterung aus und öffnet den Weg zu neuen Handlungsstrategien.

Ergebnis:

Die Eltern erkennen, dass nicht „nur“ Erziehungsfehler vorliegen, sondern eine ungünstige Rollenverteilung im Familiensystem, die verändert werden kann.

Fall 2 – Dauerstress bei Familienfeiern

Ausgangslage:

Eine Frau bekommt schon beim Gedanken an ein Familienessen Herzklopfen, weil es regelmäßig zu Streit kommt. Die Schwiegereltern mischen sich ständig in die Erziehung der Kinder ein, Abgrenzung fällt schwer.

Therapeutisches Vorgehen:

  • Analyse der Grenzsetzungsmuster in der Familie.

  • Rollenspiele, um „Nein sagen“ zu üben.

  • Gemeinsame Vereinbarungen mit allen Beteiligten, wie Gespräche bei Feiern verlaufen sollen.

Ergebnis:

 

Die Klientin kann sich klarer abgrenzen, ohne den Kontakt komplett abzubrechen. Die Feiern verlaufen entspannter.

Fall 3 – Patchwork-Konflikte

Ausgangslage:

Kinder aus einer früheren Beziehung und ein Ex-Partner versuchen, die neue Partnerschaft zu sabotieren. Es kommt zu Spannungen zwischen allen Beteiligten.

Therapeutisches Vorgehen:

  • Gemeinsame Sitzungen mit allen relevanten Personen, um unausgesprochene Konflikte zu thematisieren.

  • Erarbeiten klarer Regeln für den Umgang miteinander.

  • Stärkung der Paarbeziehung als „Team“ gegenüber äußeren Einflüssen.

Ergebnis:

 

Mehr Klarheit in den Rollen, weniger Einmischung von außen, stabilere Partnerschaft.

typische Methoden

Perspektivwechsel & Bedeutungsänderung

Reframing (Umdeutung) –

 

Das Gesagte oder ein Verhalten wird in einen neuen Bedeutungsrahmen gesetzt, um andere Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Beispiel: Aus „Mein Sohn ist stur“ wird „Er hat eine starke eigene Meinung und braucht Raum, sie zu äußern.“

Fragen, die neue Wege öffnen

  • Hypothetische und lösungsorientierte Fragen – regen an, über Alternativen nachzudenken („Was könnten Sie tun, damit es in Zukunft leichter wird?“).

  • Wunderfrage – „Stellen Sie sich vor, über Nacht wäre das Problem verschwunden: Woran würden Sie es als Erstes merken?“

Arbeit mit Bildern & Symbolen

  • Metaphern & Geschichten – Probleme werden in Bilder übersetzt (z. B. „schwarze Wolke“ für Depression), um damit kreativ zu arbeiten.

  • Genogramm – grafische Darstellung der Familienstruktur über mehrere Generationen, um Muster und Beziehungen sichtbar zu machen.

  • Familienskulptur – räumliche Aufstellung der Familienmitglieder (real oder mit Figuren), um emotionale Nähe, Distanz und Rollen zu verdeutlichen.

Ressourcen- & Lösungsfokus

  • Fragen nach Ausnahmen – gezieltes Suchen nach Situationen, in denen das Problem nicht auftritt, um diese Ansätze zu verstärken.

  • Ressourcenaktivierung – Stärken und Fähigkeiten der Familie bewusst machen und nutzen.

bottom of page